Innerer Monolog/ quoted monologue

Die einfachste und älteste Form der direkten Gedankenwiedergabe ist das ´Selbstgespräch´. Es ist aus dem dramatischen Monolog bekannt und tritt meist mit Einleitungsformeln auf, die heute etwas altertümlich anmuten (wie: ´sagte er zu sich selbst´) oder sogar paradox erscheinen (wie: ´rief er in Gedanken aus´).

Der ´Innere Monolog´ ist grammatisch durch die direkte Personenrede - im Indikativ des Präsens mit Aussagesubjekt in der ersten Person - und eine unabhängige Syntax gekennzeichnet. Im Unterschied zum ´Selbstgespräch´ werden hier weder ein redeeinleitendes Verb noch Anführungszeichen der stummen Rede vorangestellt. Die Rede selbst ist durch den Stil der Figur sehr persönlich gefärbt.

Mit dem ´Inneren Monolog´ hat der ´stream of consciousness´ (´Bewusstseinsstrom´) als die radikalste Form der ´stummen direkten Rede´ gemeinsam, dass er ohne einen Rahmen, den der Erzähler liefert, nur sehr schwer bestehen kann. Zwar erhält der Leser hier den unmittelbarsten Einblick in das Figurenbewusstsein, doch ist es fast unumgänglich, dass der Erzähler Informationen gibt, die über das Bewusstsein einer einzigen Figur hinausgehen. Praktisch wird die ´stream-of -consciousness´-Technik meist auch nur punktuell und in Verbindung mit anderen Formen der Gedankenwiedergabe eingesetzt. Als erster hat sie der Franzose Émile Dujardin in seinem Roman Der geschnittene Lorbeer (1888) verwendet. Ihren Siegeszug im modernen Roman hat sie allerdings mit dem Ulysses von James Joyce (1922) angetreten. Im ´stream of consciousness´ wird versucht, komplexe gedankliche Abläufe möglichst authentisch und realistisch wiederzugeben. Dies geschieht auf direktem Wege, d.h. ohne die ordnende Hand eines Erzählers. Statt der regelrechten Syntax des ´Inneren Monologs´ herrschen hier die Prinzipien der freien Assoziation, des Sprachspiels und der Lautmalerei.

Der innere Monolog ist eine Form  Figuren-/Personenrede, die eine besonders herausragende Stellung in der modernen Erzähltechnik besitzt. Sie grenzt sich mal mehr, mal weniger deutlich von anderen Formen der Bewusstseinswiedergabe (Gedankenbericht, erlebte Rede, Bewusstseinsstrom) ab. Ein Vergleich mit der erlebten Rede kann dabei die jeweiligen Besonderheiten aufzeigen.

„Prinzip ist es, das Figurenbewusstsein selbst 'sprechen' zu lassen: Wahrnehmungen, Empfindungen, Assoziationen aller Art, Erinnerungen, Überlegungen, auch bloße Lautfolgen ohne ausdrückliche Ankündigung oder Eingriff einer Erzählinstanz 'aufzuzeichnen'.“ (Vogt 1990, S.182f.)

Aber: Man versteht unter innerem Monolog auch Verschiedenes, z.B.:

·        die von James Joyce (1882-1941), Ulysses 1922, dt. 1927) und Édouard Dujardin (1887) inspirierte Technik zur inneren Versprachlichung von Bewusstseinsinhalten

·        die eher konventionellen Formen der Gedankenwiedergabe (Gedankenbericht, psycho-narration, Selbstgespräch...)

·        die Gesamtheit aller dieser Techniken zur Wiedergabe von Bewusstseinsinhalten mit Ausnahme des auktorialen Gedankenberichts (vgl. Vogt 1990, S.191)

Grundsätzlich sollten vier Aspekte berücksichtigt werden, nämlich
die  innere Versprachlichung,
die syntaktischen Besonderheiten,
das literarisches Verfahren und
die psychologische Existenz dieser Bewussteinsinhalte.

Merkmale:

§       Ich-Form, 1. (ersatzweise auch 2.) Person Indikativ Präsens; 

§       syntaktisch unabhängig im Vergleich zur indirekten Rede

§       Innensicht ohne kommentierende Einmischung des Erzählers bzw. der Erzählinstanz; sowohl in vollständiger oder unvollständiger grammatischen Form; unbeschränkte Zeichensetzung, aber ohne Anführungszeichen 

§       Erzähler schlüpft in eine Figur hinein und versucht deren Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen wiederzugeben; Erzähler während des inneren Monologs nicht mehr präsent.

 

§       Mit dem Begriff  Bewusstseinsstrom  bezeichnet man eine Form der Figuren-/Personenrede, die von Édouard Dujardin (1887) und James Joyce (1882-1941) entwickelt wurde und in der modernen Erzähltechnik unterschiedliche Bedeutungen besitzt.

Entweder steht der Begriff synonym für inneren Monolog oder er wird als Begriff verwendet, der sich von diesem deutlich abgrenzen soll. 
Für Vogt (1990) stellt der Bewusstseinsstrom eine von verschiedenen stilistisch-grammatischen Techniken dar, mit denen die Gedankenwiedergabe als stumme Rede erzähltechnisch realisiert werden kann. Dabei orientiert er sich an Dorrit Cohns Unterscheidung von „quoted monologue“ (zitierter Monolog) und „free direct monologue“ (freie und stumme direkte Gedankenwiedergabe), wobei letztere Form auch „metaphorisch“ stream of consciousness genannt werden könne (vgl.Vogt 1990, S.192, Anm.32).

Merkmale:

§       Pers. Indikativ Präsens oder ohne Person

§       Innensicht ohne kommentierende Einmischung des Erzählers bzw. der Erzählinstanz;

§       unvollständige grammatische Form, persönliche Idioms, willkürliche Wortbildungen, Lautmalerei, Sprachspiele, assoziative Verknüpfungen und meist ohne Zeichensetzung

§       unmittelbar protokollhafte Wiedergabe von Bewusstseinsinhalten

§       fast suggestive Unmittelbarkeit

§       inhaltlich: Folge von assoziativ verknüpften Bewusstseinsinhalten „in denen Empfindungen, Ressentiments, Erinnerungen, sich überlagernde Reflexionen, Wahrnehmungen und subjektive Reaktionen auf Umwelteindrücke ungeschieden durcheinander gleiten.“ (Metzler Literaturlexikon, 1990, S.446)

§        

§       Zunächst einmal sind es die folgenden allgemeinen Merkmale, die erlebte Rede auszeichnen:

·                 3. Pers. Singular Indikativ Präteritum

·                 häufig ohne redeeinleitende Verben

·                 im Allgemeinen ohne Anführungsstriche 

·                 Innensicht

·                 Fluktuieren zwischen verschiedenen grammatischen Formen und Aussagequalitäten

·                                    Erzähler schlüpft in eine Figur, um deren Gedanken und Gefühle eindrücklich wiederzugeben, ist aber noch als Erzähler spürbar

·                                    kommentierende Einmischung möglich (z.B. Ironisierung)

·                                    Erzähler tritt nahezu gänzlich hinter die Figur zurück 

·                 Abgrenzung zwischen Erzählerbericht und erlebter Rede häufig schwierig

·                 Reihung rhetorischer Fragesätze verbreitet bei dramatisch oder affektiv aufgeladener erlebter Rede

·                 kann auch Zitate in direkter Rede integrieren  

Nach Roy Pascal 1977 gibt es aber noch eine Reihe von hilfreichen Hinweisen:

1.     deiktische, d.h. verweisende Zeit- und Raumadverbien wie „morgen“, „hier“ „nun“, die sich auf den Standpunkt der Figur beziehen

2.     affektive oder argumentative Interjektionen wie „gewiss“, „jedoch“

3.     emphatische Ausrufe wie „Ach!“

4.     rhetorische Fragen

5.     Modalverben mit subjektiver Qualität („hatte er den Wagen zu holen“)

6.     explizite Ankündigungen von Gedanken wie „dachte er“

7.     ironische Untertöne, die vom Erzähler her kommen

8.     Textpartien, die nur als innerer Monolog einer Figur aufgefasst werden können

9.     Nahezu auktoriale Verwendung der erlebten Rede, die dazu verwendet wird, unartikulierte, unstrukturierte und halbbewusste Regungen einer Figur auszudrücken

(vgl. Vogt 1990, S.165f.)

Die erlebte Rede eignet sich besonders gut zur Vermittlung subjektiver, flüchtiger, in sich widersprüchlicher, affektiv geprägter Zustände, Phasen und Reflexe der Psyche (vgl. Vogt 1990, S.166-173).

Als „gefährlich“ kann sich die Verwendung der erlebten Rede in nichtfiktionalen Texten erweisen, wie der ehemalige Bundestagspräsident Philipp Jenninger (CDU) im Jahre 1988 erfahren musste.