Geschlossene Form des Dramas |
Offene Form des Dramas (hier am Beispiel F. Wedkinds „Frühlings Erwachen“) |
I. HANDLUNG 1) allgemein:
2) Einheit - Ganzheit
3) Kontinuität
4) Exposition
5) Duell
6) Verdeckte Handlung
7) Verzicht auf
Charakteristisches
8) Mittelbarer Stil
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I. HANDLUNG1. Polymythie 2. komplementäre
Stränge 3. metaphorische
Verklammerung 4. das zentrale Ich 5. verborgene Zusammenhänge 6. Integrationspunkt
II. ZEIT1. weite Zeiterstreckung 2. Zeit als Wirkungsmacht 3. Zeitqualität: 4. reine Gegenwart
III. RAUM1. Ortsfülle 2. Enge 3. Weite 4. spezieller Raum 5.
charakterisierender Raum 6. Raumverbindung 7. Kontakt mit der
aktiven Natur 8. Dunkel 9. Dinge
IV. PERSONEN1. kein Standesvorbehalt 2. beschränkte Mündigkeit; unfertige Menschen 3. Physisches 4. Unbewußtes [Wendlas Masochismus; Märchen] 5. Gefühlsumbruch 6. Pantomime 7. atmosphärische Personen [Zöglinge der Korrektionsanstalt]
V. KOMPOSITION1. Von unten nach
oben 2. Offenheit 3. Autonomie der
Szene 4. Variation 5. Geringes Gewicht
des Akts 6. Kontrast
VI. SPRACHE1. Pluralismus 2. Satzbau 3. Monolog 4. Dialog 5. Metaphorik
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Geschlossene und offene Dramenform (Kurzform)
Geschlossene Form des Dramas |
Offene Form des Dramas |
1. Handlung Einheit der Handlung; Seitenstränge dienen der Haupthandlung. Geschlossenheit der Handlung: in sich abgeschlossen und vollständig; keine wesentlichen Sprünge und Lücken. |
1. Handlung Vielfalt der Handlung: Mehrsträngigkeit; relativ selbständige Nebenhandlungen. Offenheit der Handlung: schlaglichtartig, bruchstückhaft und fortsetzbar; sprunghaft mit vielen Aussparungen. |
2. Zeit Einheit der Zeit: geringe Zeiterstreckung. Zeitverlauf wichtiger als Zeiteindruck: szenische Gegenwart überlagert von Vorwärts- und Rückwärtsbezügen. |
2. Zeit Vielfalt der Zeit: weite, z. T. unbestimmte Zeiterstreckung. Intensiv erlebter dramatischer Augenblick wichtiger als Sukzession: sprachlich, gestisch, akustisch und optisch dichte Situation. |
3. Raum Einheit des Ortes: kein dramatisch wirksamer Ortswechsel.
Raum typisiert; nur Rahmen, kein Handlungsfaktor. |
3. Raum Vielfalt des Ortes: Fülle verschieden gearteter, eigentümlicher Lebens- und Handlungsräume. Raum charakteristisch, Mitspieler; bezeichnet Menschentyp, Stand, Milieu, Atmosphäre, Sprache. |
4. Personen Einheit des Standes: Personal sozial einheitlich, mit gemeinsamem geistigen Bezugssystem. Ständeklausel: Tragödie höfische, Komödie bürgerliche Sphäre. Klare personelle Gegnerschaften. Mündige, verantwortliche, reflektiert handelnde Persönlichkeiten.
Antriebsmomente im Wesentlichen das Geistige und das geläuterte Seelische. |
4. Personen Vielfalt des Standes: Aufeinandertreffen verschiedener sozialer Schichten und Weltbilder. Keine Standesvorbehalte: jeder Stand tragikwürdig und komikanfällig. Personen im Kampf mit allgemeinen Welt-, Klassen-, Milieuverhältnissen. Auch unreife, unfreie, unfertige, dumpf getriebene Menschen. Ebenbürtige Antriebsmomente das Kreatürliche, Körperliche, Triebhafte, das Unbewusste und das Soziale |
5. Sprache Einheit der Sprache: Vers (meist Blankvers), Dichtungssprache, hoher Stil.
Sprache fast ausschließlich Ausdrucksmedium.
Satzbau unterordnend; Satzfolge beständig, schlüssig, grammatisch stimmig; Sprache kunstvoll, zielgerichtet, logisch folgernd, dialogisch. |
5. Sprache Vielfalt der Sprache: Sprechweisen verschieden nach Stand, Charakter, Situation; Prosa, auch Alltagssprache, Stilmischung. Neben der manchmal versagenden oder aussetzenden Sprache: Mimik, Gestik, Gebärde - der Körper spricht mit (Zunahme der Regieanweisungen). Satzbau nebenordnend; Satzfolge auch sprunghaft, stockend, brüchig, kreisend; Sprache auch unbeholfen, zerfahren, assoziativ, monologisch. |
6. Aufbau Geschlossene, straffe, eng verkettete, geordnete Komposition
Aufbau von oben nach unten: Akt wichtiger als Szene. 5 Akte, symmetrisch gefügt, der dritte Akt als Mittelachse. |
6. Aufbau Offene, lockere Komposition; reigen-, stationen-, mosaik- oder kaleidoskopartiger Charakter. Aufbau von unten nach oben: Szene als dramatische Urzelle. Zusammenhalt durch zentrales Ich, metaphorische Verklammerung, komplementäre Stränge (Einzelner - Kollektiv) oder Integrationspunkt (Schlüsselpassage). |
7. Allgemeine Stilzüge Ausschnitt als Ganzes; Geschlossenheit, Begrenztheit, innere Verweisung.
Vorrang der Idee vor dem Stoff; geistige Totalität. Geschlossenes Weltbild der Hierarchie, Ordnung, Gesetzlichkeit. |
7. Allgemeine Stilzüge Das Ganze in Ausschnitten; Offenheit, Unbegrenztheit, Verweisung über sich hinaus. Vorrang des Stoffes vor der Idee; empirische Totalität. Offenes, disparates, brüchiges Weltbild. |
http://www.aschern.de/material/carlos.pdf
Quelle: nach Klotz, Volker: Geschlossene und offene Form im Drama. München: Hanser, 1985