Bertolt Brecht - Galileo Galilei |
|
Thema: Form & Einfühlung |
|
Daraus
folgt, dass es für ihn schwieriger wird, dieses Stück auf seine epische Weise
darzustellen, so, dass sich der kritische Zuschauer weder in den
Protagonisten noch in die Nebendarsteller hineinversetzt, mit ihnen fühlt.
Dies schien nicht alleine mit Verfremdungseffekten erreichbar zu sein, deswegen
musste er zu einem weiteren Mittel greifen. Brecht
schrieb in sein Tagebuch, es wäre schwer für ihn gewesen, ein geeignetes Ende
zu finden, wo der dem Zuschauer den nötigen Abstand versichert. Er versuchte,
dies mit einem „Kunstgriff" am Ende zu begleichen, welcher in diesem
Stück daraus besteht, dass Galilei sich selbst verurteilt und somit die
Wissenschaft verrät. Der Zuschauer spürt nun die deutliche Wandlung Galileis
vom hingebungsvollen Mathematiker zum
kapitulierenden Verräter. Der
geradlinige Weg der Einfühlung wird somit unterbrochen, der Zuschauer soll
den angewandten Verfremdungseffekt spüren. Brecht
war es dennoch genehm, dass der Zuschauer Emotionen entwickelt, jedoch
sollten diese im kritischen Sinn angestrebt und hervorgerufen werden. Diese
„Einfühlung“ ist dann erlaubt, wenn sie beim Zuschauer zu einem
Erkenntnisprozess führt, den er nachvollzieht und dadurch kritisch bewerten
kann. Er muss von außen erkennen, dass Galileis Entscheidung, auf Papst und
Großherzog zu vertrauen, statt die Hilfe des Bürgers Vanni
anzunehmen, falsch war und dass seine Selbstverurteilung ein sozialer Verrat
ist. Ebenso
war es Brecht wichtig, dass sich der Charakter und die kritische Stellung der
einzelnen Figuren nicht aus ihren Kommentaren, ihren Aussagen erschließen
lassen, sondern allein aus der Form ihrer Handlung. Brecht
selber ist es nicht Recht, dass die schwierige Materie Galileis eine
Einfühlung im Sinne des aristotelischen Dramas ermöglicht, da dieses Stück
„Atmosphäre“ und „Theatralik“ aufweist, wo eigentlich pure Demonstration
herrschen sollte. Auch kommt Galileis Leben eben diesem Ablauf gleich und
somit ist eine Grundbasis gegeben, die Brecht nicht verändern kann. Der
Zuschauer soll diesem Spannungsbogen nicht folgen, sondern von außen auf
dieses Geschehen schauen. Zusammenfassend
kann man sagen, dass Brecht es sehr wichtig ist, dass sich der Zuschauer von
den Darstellern distanziert und eine Einfühlung nur im kritischen Sinne
stattfindet. Er versucht es konsequent zu vermeiden, da es seine Theorie des
epischen Theaters zerstört. Für Brecht war es eine Herausforderung, sich mit
diesem historischen Thema zu befassen, da er bestimmte Rahmenbedingungen zu
beachten hatte, die er bei selbst geschriebenen Stücken nicht hatte. Er äußert
sich in seinen Tagebucheinträgen oft darüber, dass er die formale Struktur
des Galilei-Stückes nicht verteidigt, da ihm zu viel theatralische Atmosphäre
vermittelt scheint. Dennoch
ist ihm auch klar, dass dieses Stück zwangsmäßig mit Emotionen verbunden
wird, da Galileis Geschichte und tragisches Ende bekannt sind. Er versucht es
trotzdem mit allen Mitteln, diese möglichst episch, zu umgehen. Für ihn
ist klar, dass die epischen Verfremdungseffekte lediglich auf erdachte Stücke
anzuwenden sind. |
|